Nationalpark Unteres Odertal- Idylle pur oder böser Buhmann?

Das Odertal unten durch

An der Grenze zu Polen erstreckt sich mit ca. 10 500 ha einer der kleinsten Nationalparke der Welt und zugleich der einzige Auennationalpark Deutschlands. Oder besser gesagt „Internationalpark“, denn es besteht schon seit 1990 eine Zusammenarbeit mit dem polnischem Nachbarland. Dort sind der „Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry“ (Unteres Odertal) und „Cedynska Park Krajobrazowy“ (Zehden) entstanden.

Nachdem große Teile der heutigen Nationalparkfläche früher nicht intensiv genutzt wurden, sozusagen Niemandsland waren, konnten sich diese auf natürliche Weise entwickeln (hauptsächlich auf polnischer Seite), eine wesentliche Vorraussetzung für die Umsetzung dieses ehrgeizigen Projektes. Das Besondere und Einmalige am Nationalpark Unteres Odertal ist seine riesige Vielfalt an Pflanzen und Insekten. Vor allem aber ist das Territorium auch ein international bedeutendes Vogelschutzgebiet, jedes Jahr brüten hier sehr seltene Vögel, die man sonst in Deutschland nicht mehr findet.

Idylle pur also? Nicht ganz...

Diese wunderbare Natur grenzt an den größten Industriestandort der Uckermark- Schwedt. Diese Tatsache birgt auch noch nach 10-jährigem Bestehen des Nationalparks Brisanz, denn es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner. Nach Meinung der Gegner hemmt er die wirtschaftliche Entwicklung der Region. (Wenn es natürlich ins Konzept passt, wird auch mit dem Nationalpark geworben)

Der Wegfall vieler Arbeitsplätze und die immens hohe Arbeitslosenquote haben jedoch nichts mit dem Nationalpark zu tun (denn sozialer Stellenabbau wird schon seit 1990 praktiziert, also 5 Jahre vor der Nationalparkgründung). Die Industrie wird nicht durch den Nationalpark geschädigt, vielmehr würde unsere Region einen noch erheblicheren Imageverlust erleiden, wenn es den Nationalpark nicht gäbe. Denn schließlich ist der Tourismus auch hier fast die einzige Wachstumsbranche, die die Region vor der völligen Versteppung bewahrt.

Dennoch erleben wir alle (4) Jahre wieder, dass sich pünktlich zum Wahlkochen zur Landtagswahl ein Süppchen zusammengebraut hat, was den Streit um dem Nationalpark betrifft. Momentan wird über eine neuen Grenzübergang diskutiert, der zur Verbesserung der Infrastruktur und für wirtschaftlichen Aufschwung mitten durch das Gelände des NP führen soll (mensch bedenke Aufwand und Nutzen). Auch Angler und Jäger wollen mehr Rechte, das heißt überall ihrer Freizeitbeschäftigung nachgehen. Das ist nun aber nicht mehr uneingeschränkt möglich. Bedingung für einen Nationalpark sind (mindestens) 50 % der Gesamtfläche als Totalreservat auszuweisen. Das Motto heißt hier „Natur, Natur sein lassen, jegliche Nutzung ist also ausgeschlossen. (you can´t make an omelet without breaking eggs!).

Einen Kompromiss in dieser Sache zu finden, wird noch lange Zeit brauchen. Vielleicht sollte mensch mal beginnen miteinander und nicht ständig übereinander zu reden. (Vor Monaten wurde dies sogar in einer vom RBB- Fernsehen live übertragenen Diskussionsrunde versucht, die aber ohne stichhaltige Argumente und letztlich ergebnislos blieb). Der Nationalpark ist einfach nur eine Chance und die Verpflichtung etwas Besonderes zu erhalten, vor allem für die Nachwelt.

Die Natur kann ohne uns leben, wir aber nicht ohne sie! Schreibt euch das hinter die Löffel!

Die Medaillie hat zwei Seiten

Als gebürtiger Criewener muss ich auch einmal zum Thema etwas loswerden. 1993-1994 war ich als "Ranger" im Rahmen eines freiwilligen ökologischen Jahres in der Naturwacht Schorfheide/Chroin tätig und habe mich in diesem Jahr intensiv mit dem Thema beschäfigt.
Problem Nummer 1 wird wohl der Status Nationalpark bleiben, da 50% Quote wohl noch lange nicht erfüllt ist.
Ich vermute, man hatte damals im Eifer und der Euphorie eines grenzüberschreitenden Nationalpark gedacht (der polnische Teil wird erheblich geringer genutzt!), dass was in Polen ungenutzt ist bleibt so und erfüllt damit die 50% Quote. Das Gesetz allerdings let fest, dass "beide Seiten" diese Quote zu erfüllen haben! womit natürlich die probleme vorallem mit den ansässigen Bauern vorprogrammiert sind.

Sicherlich sind die Polder ein einzigartiges Gebiet - allerdings sind sie KULTURLANDSCHAFT und damit von Menschenhand geschaffen. Was damit passiert kann man an vereinzelten Stellen "entdecken" - Verbuschung und Wildwuchs --> damit Vertreibung der seltenen Bodenbrüter im Gebiet.

Ich hatte damals gehofft, das aus dem Gebiet statt eines Nationalpark (ich bin trotz meiner Kritik kein Gegner selbigens)ein Biosphärenreservat errichtet wird, weil hier der Schwerpunkt auf die hachaltige Kulturlandschaft gelegt wird (extensive Weidebewirtschaftung ect.)und der Mensch als Bestandteil intergriert wird, anstatt ihn auszuschliessen.

Ich finde das gerade aus ökologischer Sichtweise ein sehr kurzfristiges und engstirniges Denken einiger sogenannter "Öko´s": wir machen einfach einen Zaum drumherum und gut ist. Dann wundert man sich Jahre später, warum die seltenen Orchideen (weswegen man den Zaum errichtet hat) auf einmal verschwunden sind.
Man muss gerade in solchen sensiblen Bereichen genau daraufachten, was "man" tut und was nicht.

Kai