Die Bauern der Kurmark Brandenburg und das Ende des 30 jährigen Krieges.

„Pommerland ist abgebrannt.“ Wer kennt diesen Spruch nicht, der schon seit Jahrhunderten in Berlin und Brandenburg bekannt ist. Doch woher stammt er? Welcher Großbrand führte eigentlich zum besungenen Ende des Pommernlandes? Die heutige Generation würde den Ursprung dieses Satzes vielleicht im 20. Jahrhundert sehen. Vor nicht allzu langer Zeit schickte sich der überwiegende Teil unsere Großeltern und Urgroßeltern an, mal eben Pommern und darüber hinaus ganz Europa abzubrennen. Sicherlich, auch diese einmalige Zerstörungstat wird wohl noch Jahrhunderte lang im Gedächtnis vieler Generationen bleiben. Doch vierhundert Jahre davor tobte eine ganz andere Auseinandersetzung über Mitteleuropa hinweg und sorgte dafür, dass Städte, Dörfer, Kirchenbesitz und Adelssitze belagert, geplündert und abgebrannt wurden.

Die später „Dreißigjähriger Krieg“ genannte Periode war eine Zeit aufeinanderfolgender kriegerischer Auseinandersetzung wegen angestauter ungelöster gesellschaftlicher und politischer Widersprüche. Ausgelöst wurde er mit dem lokalen Aufstand protestantischer böhmischer Stände gegen die katholische Habsburger Dynastie im Jahre 1618. Diese Revolte war sowohl eine soziale (bürgerliche Stände gegen feudale Dynastie) als auch eine Folge der unüberbrückbar gewordenen Glaubensspaltung innerhalb Europas. Inhaltlich wurden die kriegerischen Auseinandersetzungen vom Ringen um die wahre Glaubenslehre geprägt, formal wurden sie getragen vom Streben der Stände, ihre Macht und Souveränität im Reich zu mehren, das wiederum die Unterstützung ausländischer Staaten fand, weil es der Schwächung der Macht des Hauses Habsburg in Europa diente. Der habsburgische Kaiser wiederum wollte das Reich als religiöse und politische Einheit erhalten.
Soweit klar. Und nun folgte eine Serie von großen und kleinen Kriegen zwischen den Armeen der Herrscherhäuser Europas, ständischen Truppen oder Söldnerheeren, die je nach Kassenstand auf eigene oder fremde Rechnung kämpften.
Beendet wurde das ganze durch den Westfälischen Frieden von 1648. Nicht weil nun auf einmal alle vermeintlichen und wirklichen Ansprüche auf Macht, Souveränität oder Besitz klar durch das Recht des Stärkeren geregelt waren, sondern weil nach 30 Jahren Hauen und Hacken zwischen den Regierenden Frankreichs, Schwedens, des Kaisers und der Reichsstände noch andere Krisen die europäische Welt bedrohten. Es gab nicht einen Feudalstaat mehr, der nicht von inneren Unruhen und Aufständen bedroht wurde. Der englische Monarch Karl I. endete 1649 auf dem Schafott und die Bürgerlichen hatten sich erstmals in einem europäischen Staat durchgesetzt. Da wurde den Feudalherren Stabilität im Inneren und Stabilität in den außenpolitischen Beziehungen mehr als nur wichtig und so einigte man sich auf einen Frieden.

Soviel zur ganz großen Politik.
Für die Mark Brandenburg änderte sich mit dem politischen Kriegsende erst einmal nicht viel.
In den Dörfern und Städten weilten nach wie vor schwedische Einheiten. Die letzten Truppendurchmärsche dauerten zum Teil bis ins Jahr 1656 an. Zudem lastete auf der Mark Brandenburg eine „Entschädigungssumme“ für die Schweden von 100.000 Reichstalern. Eine Folge des Westfälischen Friedensschlusses. Damit musste sich nun der 1648 noch recht junge Kurfürst Friedrich Wilhelm herumschlagen, dessen Gebiete Pommern, Mark Brandenburg und des Stifts Magdeburg zu den am meisten verwüsteten gehörten.
Doch nicht nur der scheinbar bemitleidenswerte Kurfürst war durch die Folgen des Krieges herausgefordert. Der Krieg hatte einiges verändert! Am nachhaltigsten die Bevölkerungszahlen Brandenburgs.
Zahlreiche Dörfer waren verödet. 1652 ließ der Kurfürst Erkundigungen über die Bevölkerungszahlen und den Zustand der Höfe einholen. Die Menscheneinbußen in der Prignitz und Ruppin machten 60% aus. In der Mittelmark, den Kreisen Zauche und Teltow liegen sie zwischen 46 und 43%, im Barnim bei 60%.
Dabei war ein großer Teil der sich vorher ständig auf der Flucht befindlichen Bevölkerung bereits zurückgekehrt, als diese Zahlen ermittelt wurden.

Was bedeutet aber dieser durchschnittlich 50%ige Bevölkerungsrückgang?
Zahlreiche Dörfer lagen wüst, Grund und Boden waren jahrelang nicht bewirtschaftet, verunkrautet und mit Gestrüpp und Bäumen bewachsen. Die Ernterträge sind zurückgegangen, Dämme und Gräben waren verfallen, an Flussläufen waren ackerbauliche Arbeiten zum Erliegen gekommen. Insgesamt schrumpfte die landwirtschaftliche Nutzfläche. Lagen Bauerhöfe wüst gab es weniger Vieh, weniger Vieh hieß auch weniger Dünger, die Bodenfruchtbarkeit ließ nach und bedeutete wiederum geringere Erträge. Das Zugvieh war kriegsbedingt meist rekrutiert und verschleppt und die verbliebenen Bauern spannten sich selbst oder ihre Familienangehörigen vor den Pflug.
Der Rückgang der Schafzucht hatte auch zur Folge, dass verarbeitendes Gewerbe in den Städten stark zurückging.
Die Städte selbst hatten Einbußen hinzunehmen, die sie langfristig zur Bedeutungslosigkeit degradierten. Frankfurt/Oder, welche als einzige Stadt der Kurmark vor dem Krieg einen beachtlichen Außenhandel hatte, konnte diesen Status nie wieder erreichen.
Der Bevölkerungsverlust betrugt in Städten wie Angermünde, Schwedt, , Greiffenberg, Templin, Lychen, Pritzwalk, Perleberg, Lindow, Biesenthal, Fürstenwalde über ¾ der Gesamtbevölkerung. Andere Städte wie Strausberg, Müncheberg, Neuruppin, Brandenburg/ Altstadt, Rheinsberg, Frankfurt/Oder oder Treuenbritzen verloren über 50% ihrer Bevölkerung. Aber auch Cottbus, Beeskow, Bernau, Gransee, Wriezen oder Beelitz verfehlten diese Marke nur knapp.
Zu den kriegsbedingten Tötungen kamen noch die Seuchen hinzu, die einige Städte während der Kriege mehrmals heimsuchten. Mindestens dreimal überzogen sie Fürstenwalde, Wriezen, Müncheberg, Spandau, Bernau, Eberswalde, Templin, Wittstock, Mittenwalde und Rathenow.
All diese Aufzählungen sind nicht vollständig, da es für einige Städte keine aussagefähigen Quellen gibt.

Diese desolaten Situation veranlasste nun allerdings weder den Kurfürsten noch die Stände dazu, gemeinsam mit den Bauern und Handwerkern nach Wegen des Aufbaus zu suchen. Stattdessen wurde wild gestritten, um Steuereinnahmen und Kontributionszahlungen. Der Kurfürst benötigte Geld für seine Politik der Machterweiterung und inneren Stabilisierung. Immerhin unterhielt er schon 1652 ein 3000 Mann starkes Heer an der Grenze zu Pommern, um Notfalls gegen die Schweden losschlagen zu können. Die Stände, Angehörige der Ratsoligarchien, die Kurie der Ritter- bestehend aus bürgerlichen Gutsbesitzern und hohen Beamten- sowie die Landräte kämpften gegen den Kurfürsten um ihre Rechte der Steuerbewilligung und Verwaltung. Hier traten das Interesse der kurfürstlichen Staatsräson mit lokalen territorialen Interessen in einen heftigen Konflikt. Wir wissen ja nun, dass sich der Kurfürst letztendlich durchsetzte und so das absolutistische Preußen entstand.

Doch vorerst ging er auf Schmusekurs und machte mit den Gutsherren, lokalen Adligen und Ständen gemeinsame Sache- denn es gab noch eine weitere, zahlenmäßig zwar ausgedünnte aber unersetzliche Bevölkerungsgruppe, die widerspenstig gewordenen Bauern. Und ohne deren Arbeit, Abgaben und Steuerzahlungen ging nun gar nichts in der Mark Brandenburg, weder für den Kurfürsten noch all die lokalen Größen.

Die Bauern standen vor und nach dem Krieg in der sozialen Hierarchie am untersten Ende. Es gab die unterschiedlichsten Formen ihrer Ausbeutung. Die gängigste war die der Frondienste für adlige Gutsbesitzer. Diese begannen noch vor dem Krieg ihre landwirtschaftlichen Eigenwirtschaften zu vergrößern, um Getreide zu exportieren. Sie erhöhten ihre Flächen durch Nutzbarmachung von Ödland, durch Auskäufe oder durch Bauernlegen- das heißt Enteignungen derselben. Durch den erhöhten Landanteil stieg auch der Bedarf an Fronarbeit.

Um die Fronarbeit und deren Höhe entbrannten die heftigsten Kämpfe. Häufig gelang es den Feudalherren erst durch richterliche Gewalt den Bauernhöfen die Fronarbeit abzuzwingen. Bäuerliche Gemeinden führten jahrelang Prozesse, um wenigstens eine Begrenzung der Fronarbeit zu erreichen.
In der Prignitz und im Havelland waren die Erfolgsaussichten dafür oft günstig, da die Bauern dort über Besitzrechte verfügten und die Gemeinden funktionierten. Ihre Eigentumsrechte machten es schwerer sie von ihrem Land zu vertreiben. In der östlichen Kurmark handelte es sich meistens um „Lassbesitz“. Diesen konnte der Adel einziehen, ohne Entschädigungen zahlen zu müssen.
Der Wiederaufbau nach Kriegsende wurde auch zu einer erneuten Kraftprobe zwischen der Bauernschaft und dem Feudaladel.

Die Bauern versuchten die durch den Krieg entstandene Situation für sich zu nutzen. Aus der Kurmark ist überliefert, dass Bauern und Knechte sich wüstes Land aneigneten, um der Frondienste, die an ihren vormaligen Besitz gekoppelt waren, zu entgehen. Andere borgten sich Vieh aus den Städten und bearbeiteten verödetes Land und verweigerten jedwede Dienste. Viele Verfügungen und Verordnungen, die auf ausdrückliches Verlangen des Adels erlassen wurden, sind ein deutliches Zeichen für die „Unordnung“, für die Versuche von Bauern und Knechten sich Land anzueignen und die Dienstpflichten zu unterlaufen.
Die latente Unruhe bewog dann auch den Kurfürsten 1648 auf einen Waffengang gegen die Schweden zu verzichten, denn er brauche Frieden, um zu verhüten, dass „nach dem Exempel anderer Königreiche und Lande die Untertanen und der gemeine Pöbel aus Ungeduld und großer Armut die Waffen ergriffen.“ (H v. Petersdorff: Der große Kurfürst; Gotha 1926, S.33f)
Und Waffen hatten die Bauern. Der Krieg hatte sie gelehrt, dass man Widerstand leisten musste, wenn man überleben wollte. In der Prignitz und Altmark hatten sie Selbstschutzverbände gegen plündernde Soldateska gebildet. 1646 beschwerten sich die Stände darüber, aus Furcht die bewaffneten und organisierten Bauern könnten sich gegen ihre Herren wenden. Gerade die Prignitzer Bauernschaft war recht widerständig. Schon 1643 erdreistete sie sich, gegen ihren Gutherren wegen übermäßiger „Beschwerung“ (Fronforderungen) beim Kurfürsten zu klagen. 1646 erreichte dann den Kurfürsten die Mitteilung, dass die Bauern jegliche Pacht und Dienste verweigerten. Trotz diverser Versuche gelang es jahrelang nicht, diese Bauernselbstschutzorganisationen aufzulösen. Noch 1656 verbot ein Edikt bäuerliche Zusammenkünfte und befahl, Gewehre abzuliefern.
In der gesamten Kurmark beschweren sich 1652 die Stände über den „Mutwillen“ der Untertanen, die bei jeder Gelegenheit „um jede liederliche und unerhebliche Ursache willen“ Obrigkeiten vor Gericht zerrten und die, weil man im Krieg die „Rentenzahlungen“ (Abgaben) hin und wieder nachgelassen habe, nun den Gutsherren das Rechts zur Pachteintreibung streitig machen.

Doch die Herren Adligen finden im sich konsolidieren Staat des Kurfürsten einen Verbündeten. Auch dieser ist auf eine arbeitende und zahlende Bauernschaft angewiesen. Und so unterstützen Beamte und Richter die Stände dabei, ihre Interessen gegen die Bauernschaft durchzusetzen. Die aus ihren Gebieten Geflohenen werden unter Androhung von Strafen gezwungen auf ihre Wirtschaften zurückzukehren. Manchmal werden sie auch unter Zusicherungen von Erleichterungen zur Rückkehr bewogen. In der Uckermark werden „Widerspenstige“ namentlich erfasst und vor Gericht abgestraft. Überall dort wo kein bäuerlicher Widerstand organisiert ist, gelingt es den Gutsbesitzern Eigentumshöfe in „Lassbesitz“ umzuwandeln. Dieser Prozess beginnt zwar schleppend, verstärkt sich aber bis zum Ende des 17. Jahrhunderts und die Gutsbesitzer erlauben sich auch wieder sogenanntes Bauernlegen.
Letztendlich geht auch dadurch der Wiederaufbau schleppen voran. 1688 sind in der Uckermark 2941 Höfe unbesetzt und in der Prignitz noch fast ein Drittel. Noch bis zur Jahrhundertwende dauert es, bis die Bevölkerungsverluste ausgeglichen sind. In einigen Gebieten ist die Bevölkerungszahl erst Mitte des 18. Jahrhunderts wieder auf dem Vorkriegsstand.
Zäh bestellten die Knechte und Bauern das Land und das Leben normalisierte sich wieder. Die preußischen Könige führten auch wieder jede Menge Kriege und im Gedächtnis blieb haften, dass das Pommernland einst abgebrannt war.
Erinnerungswürdig ist auch, wie findig und mutig Knechte, Bauern und Gemeindeselbstverwaltungen agierten, um „Frondienste“ aller Arten zu verhindern und ihnen zu entgehen. Aus irgend einem Grund ist dieser Sachverhalt nicht Bestandteil der brandenburgisch- preußischen Geschichtsschreibung.

Hallo, mich würde

Hallo, mich würde interessieren, aus welchen Quellen du diese Infos entnommen hast. Ich bin dabei, eine Hausarbeit eben über das Thema zu schreiben und bin noch auf der Suche nach geeignetem Material!
Liebe Grüße,
Sandra